Herausgeber dieser Ausgabe: Lars C. Grabbe und Manuel van der Veen
Inhaltsverzeichnis
Editorial zur IMAGE 39
Sehr geehrte Leser*innen,
die aktuelle, nunmehr 39. Ausgabe der IMAGE, erscheint in enger Zusammenarbeit mit dem Herbert von Halem Verlag. Sie enthält dieses Mal eine bildtheoretische Auseinandersetzung mit dem technologischen Aspekt der Augmentation bzw. der Augmented Reality (AR). Erneut möchten wir allen Beteiligten und ganz besonders dem Herbert von Halem Verlag unseren Dank für die Unterstützung der IMAGE aussprechen. Den geneigten Leser*innen wünschen wir eine anregende Lektüre!
Die Herausgeber*innen der IMAGE
Goda Plaum, Lars Grabbe und Zhuofei Wang
Bild und Augmentation Einleitung
Von Lars C. Grabbe / Manuel van der Veen | Die Augmented Reality ist bildtheoretisch gesprochen ein Modus der Erweiterung von digitalen Bildern, wobei hier entweder das Digitale als ein Superadditum des Wirklichen gilt oder aber das Virtuelle selbst durch Hinzufügen von physikalischen Interfaces und Interpositionen als augmentiert erscheint (vgl. Milgram et al. 1994). Bildtheoretisch notwendig erscheint die Frage, im Spannungsfeld von Augmented Reality und Augmented Virtuality, wie sich die Erweiterung als eine Frage des Bildes oder des Bildverstehens analytisch fassen und bestimmen lässt. Die Augmentation stellt neben den Begriffen der Extension und der Expansion eine Erweiterung, Ausdehnung, eine Fortsetzung, Verlängerung oder sensorische Kontagierung (vgl. Grabbe 2024) des Bildlichen in Aussicht. Eine Ausweitung der Realitätszone wird somit auf die Übertragung bestimmter Wirklichkeitseigenschaften in einen anderen Bereich hindeuten. Die unidirektionale Erweiterungsmetaphorik der Realität verunsichert gleichzeitig das Geschehen und fordert zu einer genaueren Bestimmung einer Augmented Virtuality heraus. Welche Bereiche treffen aufeinander? In welche Richtung, wo und wie finden die Übergänge statt? Zusammen mit der Augmentation erscheint somit das große X der Crossed Realities (Dresscher/Verhoeff 2020) an deren Schnittmengen, die Frage nach dem Bild zu stellen ist. Der Sammelband rückt daher explizit verschiedene Art und Weisen des Übergangs in den Fokus.
Schnittstellen Figurationen der Erweiterung und des Übergangs in Intarsien
Von Maja-Lisa Müller | Während augmentierte Bilder zumeist mit digitalen Bildern und deren Praktiken verbunden werden, möchte dieser Beitrag das Spektrum der untersuchten Gegenstände um die vormodernen Bildgefüge der Intarsien erweitern. Intarsien oder Holzeinlegearbeiten erweisen sich als Hybride aus Bildern, Möbeln und Architekturen und als Objekte, die die jeweiligen Grenzen und Übergänge thematisieren und durch einen Exzess an Rahmungsstrukturen überhaupt erst produzieren. Ziel des Beitrages ist es, aus einer Analyse der Motive, räumlichen Bezüge sowie der (Bild-)Praktiken der Intarsien Schlüsse auf augmentierte Bilder in einem breiteren Rahmen zu schließen.
Augmentierende Bilder Zu bildlichen Erscheinungsweisen in Augmented Reality
Von Niklas Fabian Becker | Der Artikel skizziert zunächst tradierte und doch viel diskutierte Konzepte wie Illusion und Immersion aus bildphänomenologischer Perspektive und unter Einbezug bildtheoretischer und medienphilosophischer Diskurse der 1990er-Jahre zu Simulation und Virtualität bzw. ‚virtuellen Realitäten‘. Anschließend werden vor diesem Hintergrund sowie der Kontrastfolie der Virtual Reality bildliche Erscheinungsweisen von Phänomenen der Augmented Reality diskutiert, wobei neben ihren technologischen Bedingungen die Leiblichkeit des bilderlebenden Subjekts in den Fokus rückt.
Epistemologien der Kunst in Augmentierter Realität und Virtualität: Ein Spekulativ-Komparativer Ansatz
Von Swantje Martach | Das vorliegende Paper befasst sich mit dem konzeptionellen Unterschied zwischen der Kunst, die im Bereich der Augmentierten Realität (AR) betrieben wird, und jener Kunst, die im Bereich der Augmentierten Virtualität (AV) betrieben werden wird. Zu diesem Zwecke wird die Distinktion von „Objekt“ und „Raum“ zu Rate gezogen, welche im epistemologischen Sinne als „Fokus“ und „Feld“ umgedeutet wird. Dies erlaubt die Erkenntnis, dass in der AR-Kunst die übliche Hierarchie bestehen bleibt: Der Fokus ist das Kunstwerk, das Feld bleibt der Rahmen. Dahingegen dreht die AV-Kunst eben jene Hierarchie um: Hier wird das Feld zur Kunst, und der Fokus zum Rahmen. Daher bedarf AV-Kunst eine gänzlich andere kunsttheoretische Analyse, für welche die Tradition des objet trouvé als sinnig postuliert wird.
AR als Relationale Intervention Dynamiken ästhetischer Aushandlung zwischen Medientechnologie, Nutzenden und Umwelten
Von Jens Fehrenbacher | Augmented-Reality Anwendungen stiften Beziehungen: Sie bauen darauf auf, dass sowohl die physische Umgebung als auch die Bewegung der Nutzenden analysiert und in Relation zueinander gesetzt werden. Damit eine optische Augmentierung den Eindruck erweckt, fest in einer physischen Umgebung verankert zu sein, ist eine komplexe algorithmische Verarbeitung des Kamerabildes und der internen Sensorik vonnöten. Während diese vielschichtige Beziehungsarbeit häufig ausgeblendet wird, lässt sich anhand von künstlerischen Experimenten zeigen, inwiefern der Nutzung von AR stets auch ein Moment des Sich-in-Beziehung-Setzen innewohnt. AR kann in damit in (öffentliche) Räume intervenieren und zum Anstoß für Aushandlungsprozesse in physischen, sozialen und technischen Umgebungen werden.
Bilder auf Zeit Zur Bichronizität von Augmented Reality in künstlerischen Settings
Von Svetlana Chernyshova | Augmented-Reality-Formate bringen sowohl tradierte Bildbegriffe als auch Bildpraktiken auf eine vielfache Weise an ihre Grenzen: sowohl im Hinblick auf ihre ästhetisch-medialen Abgrenzungen, ihre Rezeptionsbedingungen als auch ihre Produktionsprozesse. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Beitrag, ausgehend von den Arbeiten des Schweizer Künstlers Pascal Sender, mit einem weiteren, wesentlichen Aspekt des augmentierten Bildes auseinander: seiner temporalen Dimension. Die zeitlichen Qualitäten, Effekte und Bedingungen jener multimodalen Bildphänomene in den Fokus rückend, entwickelt der Beitrag den Begriff der Bichronizität und spricht sich dafür aus, das Spektrum der Bildfragen entschieden mit Blick auf dessen Zeitlichkeiten sowie Umgebungen zu erweitern.
In Bewegung begriffen – Bewegtbild und erweiterte Aufführungs-Anordnungen AR und 360°-Film/VR in der künstlerischen Praxis
Von Verena Elisabet Eitel | Die Bedeutung von 360°/VR- und AR-Technologien im Aufführungskontext nimmt kontinuierlich zu. Digitale Bildpraktiken also, die sich in Hinsicht auf traditionelle Bewegtbild-Anordnungen durch Mobilisierung, Dynamisierung und Interagieren beteiligter Akteur:innen auszeichnen. Diese werden in Wechselbeziehung mit Neuformierungen innerhalb medialer Aufführungen gesetzt. In der Analyse der künstlerischen Projekte „Fluss“ (Kötter/Seidl 2019), „Verrat der Bilder“ (Nico and the Navigators 2019) und „Dear Former Past, …“ (cylixe/ghostrich 2022) wird über den Zugang analoger und virtueller Bewegungskonstellationen eine Praxis der Befragung und Erweiterung des Bewegtbildes mit der seiner Anordnung zusammengelesen. Daraus erschließt sich die Idee einer performativen Statusverschiebung des Bewegtbildes als Augmentation, die jenseits der Pole virtuell und real auf reflexiv-hybride Bildräume setzt.
Gegen die Glaswand schreien: Der Gebrauch der Zuschauerstimme in VR-Filmen zwischen in und off
Von Katharina Fuchs | In Virtual-Reality-Filmen (VR-Filmen) ist die Verwendung einer Erzählerstimme nahezu obligatorisch. Sie ermöglicht es den Zuschauenden, mit der virtuellen Umgebung zu interagieren, ohne die Handlung zu verpassen. Aber was passiert, wenn die Zuschauenden selbst sprechen und durch ihre Stimme mit dem VR-Film interagieren? Werden sie dadurch Teil der Geschichte und des Geschehens? Können sie so leichter und fließender mit der virtuellen Umgebung interagieren? Anhand von zwei Fallbeispielen möchte ich die Hypothese untersuchen, dass die Zuschauerstimme zu einer flüssigeren und “natürlicheren” Interaktion führen kann, die die Zuschauenden emotional und körperlich in die virtuelle Umgebung einbezieht und so ein Gefühl der Immersion erzeugt. Muss die Stimme immer ein immersives Moment schaffen? Oder könnte sie im Gegenteil die unsichtbare Trennung zwischen den Zuschauenden und der virtuellen Umgebung betonen? Die beiden VR-Filme, die in diesem Artikel untersucht werden, setzen den physischen und den virtuellen Raum in Kontrast zueinander und nutzen diesen Kontrast, der durch die Zuschauerstimme hervorgehoben wird, um eine Geschichte von Diskrepanz und Ausgrenzung zu erzählen.
Die Schnittstelle der Virtual Reality und ihr Körper- und Raumbezug im Zusammenhang der Bildrezeption
Von Simon Pfeffel | Ein konzentriertes Eintauchen in die Virtual Reality ist dann möglich, wenn die audiovisuelle Rezeption des virtuellen Panoramas mit den übrigen Sinneswahrnehmungen im Einklang steht. Diesen Körperbezug bereits in der Produktionsphase digitaler Medien mit zu bedenken oder außer Acht zu lassen, kann weitreichende, buchstäblich schwindelerregende Folgen für die darauffolgende Rezeption haben. Indem unterschiedliche künstlerische Ansätze aus dem 20. und 21. Jahrhundert mit Fokus des Körperbezugs von Rezipierenden in den Blick genommen und verglichen werden, bei denen Künstler:innen einerseits mit Überwachungskameras und andererseits mit 360-Grad-Kameras arbeiten, sollen Vergleiche und Unterschiede zwischen den jeweiligen Rezeptionserfahrungen auf Basis der technischen Voraussetzungen herausgearbeitet werden.
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