Herausgeber dieser Ausgabe: Goda Plaum, Lars Grabbe und Zhuofei Wang
Inhaltsverzeichnis
Editorial zur IMAGE 40
Von Goda Plaum, Lars Grabbe und Zhuofei Wang | Sehr geehrte Leser*innen, wir freuen uns, die aktuelle 40. Ausgabe der IMAGE wieder mit dem Herbert von Halem Verlag veröffentlichen zu können. Sie setzt sich aus fünf Artikeln zusammen. Zwei der Beiträge, von Marcel Lemmes und Thomas Wilke, gehen auf Vorträge zurück, die sie auf dem Symposium „Bild-Mobbing” gehalten haben, das am 14.2.2022 in Tübingen veranstaltet wurde. Wir bedanken uns bei allen Beitragenden und Beteiligten für die engagierte Mitarbeit, besonders bei dem Herbert von Halem Verlag. Den Leser*innen wünschen wir eine anregende Lektüre!
Visuelles Mobbing in Musikvideos Bildstrategien im Kontext Kultureller Bildung
Von Thomas Wilke | Der folgende Beitrag thematisiert Mobbing in Musikvideos, das sich in einer Vielzahl von Songs beobachten lässt und wirbt für eine differenziertere Problematisierung: Bildstrategien in Musikvideos als inszenatorische Modellierungen. Ein weiteres Anliegen des Textes ist es, Musikvideos grundlegend in den Komplex kultureller und ästhetischer Bildung einzubeziehen, was bislang nur unzureichend geschieht. Ausdrucksformen von Musikvideos sind narrativ, bildästhetisch, thematisch, künstlerisch vielfältig und werden auch ohne Musikfernsehen noch immer produziert. Ihre Verfügbarkeit unterstellt ein ästhetisiertes Erfahrungspotential, das zu einem Kommunikat wird. Mit dieser Arbeitsthese wird davon ausgegangen, dass Musikvideos in voraussetzungsreicher Weise zu einem Bestandteil informeller Bildungsprozesse werden. Dieser individuell und kommunikativ angelegte Prozess führt zu subjektiven Einstellungen gegenüber Sachverhalten, anderen Menschen und der Welt. Mediale Artikulationen und Repräsentationen können dann in ihrer kommunikativen Anlage und im Wechselverhältnis von Aneignung und Austausch Erwartungen an Bildung erfüllen.
Populistische Memetik: Eine Analyse symbolischer Gewalt in Social Media
Von Marcel Lemmes | Der vorliegende Artikel untersucht die Konstruktion von sozialen Hierarchisierungen und (Re-)Produktion von Stereotypen im Digitalen am Beispiel von populistischen Internet-Memes in sozialen Medien. Nach begrifflichen Vorüberlegungen zu einer memetischen Praxis und zu Populismus als Konzept zwischen dünner Ideologie und rhetorischer Strategie, werden diese Prozesse mithilfe des Bourdieu’schen Begriffs von symbolischer Gewalt anhand von Fallbeispielen beschreibbar gemacht. Soziales, symbolisches und ein spezifisches memetisches Kapital erweisen sich dabei als zentral.
Visuelle Tropen
Von Hans J. Wulff | Die Idee der Tropen, die ursprünglich aus der antiken Rhetorik stammt und die Ersetzung eines sprachliche Ausdrucks durch einen anderen, nicht-synonymen Ausdruck aus einem anderen Bedeutungsfeld vorsieht, zeigt sich bei der Übertragung auf visuelle Darstellungen als komplex. Dies liegt nicht nur an der anderen Art des referentiellen Bezugs von Bildern im Vergleich zu sprachlichen Zeichen, die konzeptueller und abstrakter sind, sondern auch daran, dass Bilder stets als Kombination verschiedener Elemente (Realia und Strukturen) erscheinen. Selbst eine kurze Betrachtung von Beispielen visueller Repräsentationen zeigt, dass eine Rückführung auf “eigentliche Bedeutungen” (ob inhaltlicher oder formaler Natur) stets auf der Grundlage kulturellen Wissens erfolgen muss. Die dabei angenommenen Bildformen gehören dann zur Phänomenologie kultureller Wissenseinheiten und nicht zur Produktivität der Sprache. Auf der Basis von Modellen aus der linguistischen Semantik und der kognitiven Semiotik wird vorgeschlagen, sogenannte Handlungsrollen als phänotypische Elemente visueller Darstellungen kultureller Einheiten zu erfassen, beispielsweise in der Jazz-Bildgestaltung und der für den Jazz essentiellen Performativität – von Akteursrollen (Solisten, Gruppen, Orchester) über Instrumente und Ortsdarstellungen von Publikum bis hin zu den ursprünglichen und aktuellen Lebenswelten des Jazz.
Transformative Bildlichkeiten in der Wissenschaft Überlegungen zu bildinduzierten Perspektivverschiebungen
Von Axel Philipps | Nach Thomas S. Kuhns Ausführungen verändert sich die Perspektive der Forschung in wissenschaftlichen Revolutionen fundamental. Neue theoretische Annahmen würden nicht nur bis dahin unverständliche Phänomene überzeugend erklären, sie würden auch neuartige Herangehensweisen eröffnen, um wissenschaftliche Probleme und Rätsel zu lösen. In diesem Zusammenhang wurde bisher der Stellenwert des Bildlichen für einen Wechsel der Perspektive kaum untersucht. Der Beitrag unternimmt den Versuch, transformative Bildlichkeiten in der Wissenschaft aufzuspüren, ihre Bedeutung für Perspektivverschiebungen aufzuzeigen und zu erklären, wieso sie weitgehend unthematisiert bleiben. Für meine Überlegungen führe ich in Anlehnung an Hans Blumenberg und Kuhn ein Phasenmodell ein, welches transformative Bildlichkeiten in der Phase der Vorbegrifflichkeit verortet, die wiederum die Phasen der Unbegrifflichkeit und der Begrifflichkeit verbindet. Die unterschiedlichen Phasen und die Charakteristik transformativer Bildlichkeiten werden anhand eines literarischen und zwei historischer Beispiele näher beleuchtet.
Das Topische Bild
Von Swantje Martach | Fühlst du den öffentlichen Raum auch als dich zu einem Aspekt deiner Selbst reduzierend (z.B. zu einer Shopperin in der Mall, oder einer Beobachterin im Café)? Der vorliegende Text sieht den Grund darin, dass heutige Räume Bilder sind, und macht sich auf den Weg, die Ontologie dieser Phänomene, ihre Implikationen für die menschliche Existenz darin, und die Gründe ihres Entstehens zu erkunden. Während also bisherige Bildtheorien sich auf eine Diskussion von Bildern-in-Räumen beschränkten, möchte dieser Text eine neue Art von Bild in den bildtheoretischen Diskurs einführen: Raum-als-Bild. Nach einem Abgrenzen von bildlicher zu narrativer Konzeptualisierung von Raum wird argumentiert, dass Räume einen sogenannten „Bilderdruck“ beinhalten: Räume drängen uns dazu, uns ihren Rahmen anzupassen und konstant bereit zum Bild zu sein, also uns so zu benehmen, als wären wir immer schon im Bild. Als Grund dafür wird der bildliche Raum-Konsum unserer Mitmenschen angeführt, der unsere Aktionen im Raum zu Replikationen von bereits existierenden Bildern jener reduziert. Da Platon einst das Bild als atopoi, also nicht-örtlich und unmöglich zu verorten definierte, wird das hier diskutierte Phänomen provokant als “topisches“ Bild bezeichnet. Jedoch wird diese Bezeichnung nicht einfach nur vorgeschlagen, sondern kritisch diskutiert und seziert um sie auf ihre eigenen Möglichkeiten hin zu dehnen.
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