Editorial zur IMAGE 38

Sehr geehrte Leser*innen, die aktuelle, nunmehr 38. Ausgabe der IMAGE erscheint nun zum zweiten Mal in enger Zusammenarbeit mit dem Herbert von Halem Verlag. Sie enthält dieses Mal zwei Teile: Für die Herausgabe des regulären Teil dieser Ausgabe sind Katrin Brümmer und Martin Scholz verantwortlich. Er ist thematisch gebunden und den verschiedenen Themen der Datenvisualisierung gewidmet. Der Sonderteil wurde von Lukas R.A. Wilde und Klaus Sachs-Hombach herausgegeben. Er versammelt sechs Aufsätze zum Thema Emojis und basiert auf dem Panel „Emoji and Digital Stickers: Affective Labor and Lifeworld Mediation“, das während des 15. World Congress of Semiotics (IASS/AIS), „Semiotics in the Lifeworld“, am 31. August 2022 an der Aristotle University of Thessaloniki (Greece) stattfand.

Visualisierung komplexer Netzwerke

Von Volker Ahlers | In vielen Anwendungskontexten spielen Netzwerke aus Entitäten (Personen, Orte, abstrakte Objekte) und Beziehungen zwischen Entitäten eine wichtige Rolle, die mathematisch als Graphen betrachtet werden können. Die Visualisierung solcher Netzwerke – engl. Graph Drawing – erleichtert es dem Menschen, diese zu verstehen und beispielsweise Muster zu erkennen. Im folgenden Beitrag werden Anwendungen aus der Bioinformatik und der IT-Sicherheit mit ihren jeweiligen Herausforderungen vorgestellt. Insbesondere wird darauf eingegangen, wie diese Herausforderungen, etwa die Dynamik eines Netzwerkes, die Wahl der visuellen Mittel bestimmen.

Die Architektur der Daten: Neues Bauen im digitalen Zeitalter

Von André Nakonz | Die Konzeption und Umsetzung von Architektur und Innenarchitektur scheint stark von digitalen und datenbasierten Prozessen geprägt zu sein, vor allem durch den Einsatz von 3D-Visualisierungen, CAD-Konstruktionen und 3D-Drucktechnologien. Es ist allerdings überraschend, dass die Baubranche zu den am wenigsten digitalisierten Sektoren der Wirtschaft zählt. Dabei bietet eine verstärkte Digitalisierung und Datenbasierung des Entwurfsprozesses großes Potenzial, um eine Bauweise zu ermöglichen, die dem Klima gerecht wird und schonend mit Ressourcen umgeht. Neue digitale und datenbasierte Werkzeuge könnten die Herausforderungen, die sich aus der Vereinigung von gestalterischer Qualität, Nachhaltigkeit und Bauvorschriften ergeben, erheblich vereinfachen. Der Artikel untersucht die geschichtlichen Ursachen für die unzureichende Digitalisierung in der Architektur und präsentiert anhand von drei Projekten mögliche Ansätze für eine datenbasierte und nachhaltige Entwurfsmethodik.

Mit Daten malen Das kreative Potenzial der Motion Capture-Technologie

Von Carolin Scheler | Der Aufsatz untersucht das Verfahren der Motion Capture-Technologie als Werkzeug zur Datenvisualisierung. Um die aufgezeichneten Bewegungsdaten tatsächlich visuell erlebbar zu machen, reicht es nicht aus, sie lediglich zur Animation von Fantasiewesen zu benutzen. Im Fokus steht hier deshalb nicht die kommerzielle Nutzung, wie sie in großen Spielfilmproduktionen zum Einsatz kommt, sondern die Verwendung der Daten zur Erzeugung eines Erkenntnisgewinns – etwa über Bewegungsabläufe beim Tanz oder im Bereich der Musik. Die Daten werden hier nicht analog an virtuelle Körper gekoppelt, sondern oft abstrakt wiedergegeben. Die Ästhetik dieser so entstehenden Bewegtbilder hebt sich von einer filmischen Erzählweise ab und erinnert stattdessen stark an die frühen Anfänge der Animation, du zu Beginn häufig ebenfalls abstrakte Formen in Bewegung brachte und dabei oft selbstreflexive und sogar subversive Momente hervorbrachte.

Map ist nicht gleich Map Die Möglichkeiten der Map und deren Herausforderungen bei der Erstellung

Von Jennifer Münch | Auf einer klassischen Landkarte werden geografisch relevante Daten in unterschiedlichen Farben und Formen visuell dargestellt. Dies ist eine einfache Beschreibung einer klassischen Map in der Datenvisualisierung. Notwendig hierfür sind Geopositionen wie Längengrad und Breitengrad, GPS-Positionen oder je nach Visualisierungstool auch einfache Ländernamen oder -kürzel. Jedoch wird das System der Map nicht nur für die klassische Darstellung von Länderinformationen genutzt, sondern auch um Bilder einzubinden und diese als Visualisierungsgrundlage zu verwenden.Die Herausforderung hierbei besteht jedoch in der Verwendbarkeit der Visualisierungsform und deren Umsetzung. Denn je nach Use Case kann die Bearbeitung einer solchen Visualisierungsform viel Zeit und damit auch Geld kosten, was wiederum das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen in Frage stellt. Um genau diese und andere Fragen zu beantworten, hat die Firma doubleSlash ein Vorgehensmodell entwickelt, welches bei der Planung und Umsetzung von Visualisierungen und Dashboards unterstützen soll.

How to counter – Mapping als Praxis einer aktivistischen Raumproduktion

Von Katrin Brümmer | Der vorliegende Beitrag widmet sich der kartografischen Darstellung von Räumen als Instrument sozialer Konstruktion und Macht. Er hinterfragt, ob Karten lediglich neutrale Abbildungen geographischer Realitäten sind, oder aktiv menschliche Intentionen und soziale Dynamiken beeinflussen. Basierend auf der kritischen Kartografie beleuchtet der Beitrag die enge Verflechtung von Macht und Wissen in kartografischen Diskursen. Dabei liegt der Fokus auf der Nutzung von Karten als Mittel zur Kontrolle und Reproduktion sozialer Hierarchien. Besonders im globalen Kontext erscheint diese Verbindung relevant, da Karten nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch aktiv Einfluss auf Wahrnehmungen nehmen können. Die Auswirkungen der digitalen Technologie auf die Kartenerstellung und die Fülle an verfügbaren Geodaten werden dabei besonders berücksichtigt. Können Karten tatsächlich als bloße Orientierungshilfen betrachtet werden, oder spielen sie eine tiefgreifendere Rolle bei der Lenkung von Meinungen und Macht in der Gesellschaft?

Datenvisualisierung zwischen Sichtbarmachung, Verzerrung und Selbstermächtigung

Von Jonas Parnow | Trotz der weiten Verbreitung im popkulturellen Kontext und der starken Nutzung im kommerziellen und wissenschaftlichen Bereich ist die Datenvisualisierung als Werkzeug und Methodik noch wenig kritisch beleuchtet. Auf einer praktischen Ebene möchte ich Ansätze für eine reflektierte Auseinandersetzung aufzeigen. Diese Überlegungen sollen die verbreitete Annahme widerlegen, dass Daten die Realität objektiv abbilden. Anhand einiger Beispiele werden Visualisierungen aus popkulturellen Kontexten auf ihre Verzerrungen hin untersucht. Mit der Quantifizierung jeglicher Lebensbereiche und der Zentralisierung der Deutungshoheit über diese Datenmengen entwickelt sich ein zunehmendes Machtgefälle in der Gesellschaft. Als Reaktion darauf möchte ich im weiteren Verlauf dieses Artikels Projekte vorstellen, die Visualisierung zur Selbstermächtigung und Kritik dieser Ordnung nutzen und somit als Werkzeuge der Demokratisierung dienen können.

Narrative Visualisierung in der Medizin

Von Bernhard Preim und Monique Meuschke | Dieses Buchkapitel stellt eine Einführung in die narrative (computergenerierte) Visualisierung dar. Da diese Visualisierungen auf Daten basieren, wird alternativ der Begriff data-based storytelling verwendet. Dieses relativ neue und dynamische Gebiet ist dadurch gekennzeichnet, dass Strategien aus dem Film, dem Theater und der Literatur eingesetzt werden, um Informationen auf interessante Weise aufzubereiten und zu vermitteln. Spezielle Genres der narrativen Visualisierung haben sich etabliert, wie beispielsweise Data Comics, Datenvideos, Slideshows oder das Scrollytelling, das vor allem in den Online-Varianten von Zeitschriften breit eingesetzt wird. Narrative Visualisierung ist für viele Wissenschaftsbereiche relevant und kann einen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation leisten. Besonders wichtig sind Wissenschaftsbereiche, die für breite Bevölkerungsschichten von Interesse sind. Dazu zählen die Klimaforschung, die Astronomie, aber natürlich auch die Medizin. Wir diskutieren basierend auf eigenen Erfahrungen vor allem das Design und die Rezeption von narrativen Visualisierungen medizinischer Themen.

Embracing Complexity

Von Julia Scholz-Köberlein | Die Komplexität unserer Welt wächst. Exponentiell. Alle Bereiche in denen wir handeln und leben sind zunehmend verflochten – die wirtschaftlichen, politischen und technologischen Zusammenhänge immer komplexer. Die aktuellen Probleme der Lösungen von gestern zeigen, dass ein Agieren im Silo langfristig unabsehbare Folgen haben kann. Ob aktuelles politisches Zeitgeschehen, Prozesse in Unternehmen oder wissenschaftliche Erkenntnisse: Um bessere Entscheidungen treffen zu können brauchen wir Details UND deren Kontext. Lineares Denken und lineare Vermittlungsmethoden können dem nicht gerecht werden. Darum hat Julia mit ihrem Team die Plattform KontextMaps entwickelt. Mit ihr können Übersicht und Tiefgang eines Themas in einer interaktiven Wissensmap vermittelt werden. Zum Eintauchen Entdecken und Verstehen.