Von Martina Engelbrecht, Juliane Betz, Christoph Klein und Raphael Rosenberg
Im Rahmen einer DFG-geförderten Zusammenarbeit von Kunsthistorikern und Psychologen untersuchten wir Blickbewegungen bei der Betrachtung von Gemälden aus historischer und empirischer Perspektive. Wir sammelten und verschlagworteten über 500 Texte der Kunstliteratur, in denen Augenbewegungen thematisiert werden, um einen geschichtlichen Überblick über kunstliterarische Beschreibungen von Blickbewegungen zu erarbeiten. Parallel zu dieser historischen Studie zeichneten wir mittels Eye Tracking Blickbewegungsdaten bei der Betrachtung von Gemälden auf, um das Verhältnis von natürlichem Blickverhalten und den in den Texten beschriebenen Blickmustern zu untersuchen. Unsere Blickbewegungsmessungen, die auf eine Quantifizierung der Wiederholungsrate strukturtragender Elemente abzielten, konnten nachweisen, dass die fiktiven Augenbewegungen in der Kunstliteratur den empirisch messbaren Bewegungen ähneln, die das Auge beim Betrachten eines Gemäldes vollzieht. Wir fanden heraus, dass Versuchspersonen Blicksprünge, die die kompositionelle Struktur von Gemälden widerspiegeln, vielfach wiederholen. Gruppenunterschiede ergaben sich dadurch, dass die Hälfte der Probanden die Gemälde während der Betrachtung beschreiben sollte. Das Sprechen über Bilder übt einen deutlichen, empirisch messbaren Einfluss auf den Prozess der Gemäldebetrachtung aus.
As part of an interdisciplinary DFG funded research project between Art History and Psychology we studied gaze movements from a historical point of view – examining art literature, esp. descriptions of art works; an empirical point of view – using an eye-tracker, questionnaires and interviews. We collected and keyworded more than 500 text passages that address eye-movements in the context of art beholding in order to explain the history of the description of eye movements in art literature. In a second step we analyzed the relation between these literary descriptions and the physiological processes of perception. We found out that the gaze movement patterns of the test persons do in fact resemble the structure of the paintings similarly to the way in which gaze movement paths are described in the historical text passages. We also examined in which way the instruction to speak about paintings while looking at them influences the test persons’ gaze movement patterns. As to the influence of instructions on the process of perception, our preliminary results have strong implications for the constructive role of language in the beholding of visual arts.