Zur (kulturellen) Subjektivität im Fremdbild

Von Johannes Baumann

Noch viel mehr als die Interpretation der alltäglichen ›Realität‹ unterliegt diejenige einer anderen Kultur der vielschichtigen und umfassenden Vorbeeinflussung seitens des jeweiligen Betrachters. Fremdbilder sind nichts anderes als Projektionen bzw. Transpositionen größtenteils unbewusster bzw. nicht in Frage gestellter Standpunkte und Wahrnehmungsweisen auf andersartig konditionierte sowie mit anders gearteter und begründeter Bedeutung versehene Sachverhalte aus einem nur ungenügend erkennbaren Kontext. Die spezifische u.a. kulturell geprägte geistige Disposition ist ein fundamentales kognitives Handicap bei der geistigen Auseinandersetzung mit anderen Kulturen. Als verkapptes Selbstbild betrachtet bergen Fremdbilder gleichzeitig ein potenzielles Instrument für die (Selbst-)Erkenntnis.

In diesem Beitrag werden fünf zentrale Fragestellungen aus dem Kontext der Interkulturellen Hermeneutik aufgegriffen. Der entsprechende Befund aus der einflussreichsten Veröffentlichungsreihe im Bereich der politischen Bildung in Deutschland – genauer gesagt denjenigen sieben Ausgaben, die sich ausschließlich mit China beschäftigen (erschienen 1961-2005) – zeigt exemplarisch, dass selbst ein versierter Betrachter im Fremdbild eher seine ureigene kulturelle Subjektivität (respektive diejenige des Bildurhebers) erkennt, als er letztendlich über das Fremde jenseits seiner sichtbaren Erscheinungsformen erfährt.

Even more than any interpretation of everyday ›reality‹ it is the contemplation of another culture that is subject to both the respective beholder’s complex and comprehensive intellectual precondition. Mental images of another culture consist of transpositions and projections of mostly unconscious or unquestioned points of view and ways of perceiving of the external beholder’s culture of origin onto differently conditioned circumstances and phenomena – furnished with meaning derived from a hardly perceivable cultural setting which in addition is possibly founded or legitimated in an incomprehensible way. The specific preconception structure is a fundamental cognitive handicap when contemplating other cultures while at the same time images of the other – regarded upon as disguised images of the self – dispose of a certain potential as means of (self-)knowledge. Using the example of the most influential serial in the field of civic education in Germany – more precisely, those seven issues dealing with China exclusively (published 1961-2005) – this article is aimed at five core issues as raised by Intercultural Hermeneutics. The particular findings as displayed suggest in fact that even an adept beholder is likely to rather recognize her/his very own cultural subjectivity (respectively the one by the bearer of an intellectual image) than finding out about the other culture beyond its surface forms of appearance.