Wie kommt eine Gesellschaft zu ihren Bildern? Oder: Zur bildlichen Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit

Von Michael Karpf

In der soziologischen Auseinandersetzung werden Bilder zunehmend als ein zentraler Moment der Konstitution sozialer Wirklichkeit wahrgenommen. Bilder sind demnach nicht mehr einfach Forschungsgegenstände, die einen Zugriff auf soziale Phänomene zulassen, sondern eigenständige Momente von Vergesellschaftung. Die vorliegenden Überlegungen versuchen diese soziologische Funktion der Bilder theoretisch anhand der Selbstbilder einer Gesellschaft nachzuzeichnen, indem die Genese sozial geteilter Bilder rekonstruiert wird. Dazu wird auf aktuelle Bildsoziologien sowie eine sozialkonstruktivistisch geprägte Gedächtnissoziologie zurückgegriffen, um die ›Kollektivierung von Bildern‹ als Prozess der Kollektivierung geteilter Imaginationsräume nachzuvollziehen. Ziel ist es, Bilder als immer schon im Sozialen zirkulierende zu verstehen, die sich aus einem gemeinsamen Zugriff auf die soziale Wirklichkeit ergeben und durch deren kulturelle Fixierung bzw. Materialisierung ein Zugang zu einer sozial geteilten Vorstellung von Gesellschaft für die einzelnen Gesellschaftsmitglieder ermöglicht wird.

In the sociological debate, images are increasingly perceived as a central element of the constitution of social reality. Accordingly, images are no longer simply objects of research that allow access to social phenomena, but independent moments of the formation of society. The present considerations attempt to trace this sociological function of images theoretically on the basis of the self-images of a society by reconstructing the genesis of socially shared images. For this purpose, current sociological reflections on images as well as a sociology of memory are used to recapitulate the ›collectivization of images‹ as a process of collectivizing ›shared spaces‹ of imagination. The aim is to understand images as already circulating social forms in society, which result from a common access to social reality, and through whose cultural fixation or objectivation an access to a socially shared idea of society is made accessible for the individual members of society.