Politik der Schönheit. Zur Konstruktion einer ›wissenschaftlichen‹ Bildästhetik schöner weiblicher Körper um 1900 am Beispiel des Gynäkologen Carl Heinrich Stratz

Von Birke Sturm

In diesem Beitrag wird am Beispiel ausgewählter Schriften des Gynäkologen Carl Heinrich Stratz analysiert, wie dieser anhand von Fotografien politische, kulturelle und gesellschaftliche Grenzen in Darstellungen des Schönen respektive des Nicht-Schönen übersetzt. Zunächst wird ein Einblick in die Verflechtung des Stratz’schen Schönheitsideals mit Werten des deutschen Bildungsbürgertums um 1900 gegeben. Im Anschluss daran werden verschiedene Merkmale betrachtet, die Stratz beschreibt, um äußere Anzeichen des Nicht-Schönen mit Wertigkeiten zu versehen, die bildungsbürgerlichen Werten widersprechen. Abschließend wird seine Vorgehensweise, die ein anthropometrisches Verfahren mit dem Evidenz versprechenden Medium der Fotografie kombiniert, genauer untersucht. Dabei soll deutlich werden, dass Stratz unter Rückgriff auf Bilder von normierten Vorstellungen weiblicher Schönheit Alteritäten konstruiert, bei denen es keineswegs schlichtweg um oberflächlich schöne vs. nicht-schöne Körper geht. Vielmehr ist diese ›Veranderung‹ von als nicht-schön bezeichneten Körpern in politisiertem Sinne als Stärkung eines heteronormativen, bürgerlichen, eurozentrischen und deutsch-nationalen Weltbildes zu verstehen.

This paper focuses on the question how the German gynaecologist Carl Heinrich Stratz translated political, cultural and social boarders into images of beautiful and not-beautiful female bodies. First, there will be an insight into the entanglement of Stratz’s beauty ideal with values of the educated middle-classes in Germany around 1900. Then, different features will be discussed that are described by Stratz in order to connect indications of what he regarded not to be beautiful with values that contradict educated middle-class principles. Finally, his approach of combining an anthropometrical procedure with photography, a medium promising evidence, will be looked upon. All in all, it should be conveyed that Stratz constructs otherness with recourse to normalized conceptions of female beauty that cannot simply be grasped by beautiful and not-beautiful bodies on a superficial level. In fact, the othering of bodies, which are described as not beautiful, can be regarded as reinforcement of a heteronormative, bourgeois, Eurocentric and German-nationalist worldview.