Phänomenologie, Semiotik und Bildbegriff: Eine kritische Diskussion

Von Matthias Händler

Dieser Beitrag diskutiert den phänomenologischen Bildbegriff von Lambert Wiesing. Zunächst wird dessen Position ausführlich präsentiert, um anschließend mit Hilfe der Semiotik und der Kommunikationswissenschaft die Schwachpunkte und (terminologischen) Probleme dieser Form der Bildtheorie aufzuzeigen. Aus dieser Diskussion heraus versucht der Aufsatz eine These zur Beantwortung der Frage »Was ist ein Bild?« zu entwickeln. Diese These besagt, dass die Wahrnehmung und das Erkennen eines Bildes (das als symbolisches Kommunikationsmedium begriffen wird) notwendig in der Rezeptionshaltung der Fiktionalität getätigt werden müssen. Das bedeutet, dass das »Wie« der bildlichen Darstellung den Betrachter dazu zwingt, dem erkannten Bildobjekt in einer »so-tun-als-ob«-Haltung gegenüberzutreten, um es als Bild zu erfassen. Obwohl der Betrachter weiß, dass die erkannte Bilddarstellung kein reales Objekt ist, spricht er so darüber, also ob es eines wäre, behandelt es aber nicht so. Das »Wie« des Bildobjekts determiniert also die Kommunikation und die Behandlung gegenüber der Darstellung des Bildes, oder anders ausgedrückt: Die Fiktionalitätsverweise eines Bildes führen den Bildbetrachter dahin, dass er das Bildobjekt wie einen fiktiven Gegenstand behandelt, auch wenn dies, wie z. B. bei einer Live-Schaltung im Fernsehen, keiner ist.

This paper aims at a discussion of Lambert Wiesing’s phenomenological picture theory. First, it presents Wiesing’s position in detail. It subsequently goes on to show the weaknesses and (terminological) problems of this kind of picture theory with the help of semiotic science and communication science. Moving on from this discussion the essay tries to develop a thesis to answer the question »What is a picture?«. It introduces the claim that a picture’s perception and recognition, understood to be a symbolic medium of communication, necessarily needs to be conducted in fictionality’s manner of reception. This means that the »how« of the visual presentation forces the viewer to confront the visual object in a »pretend as if«-attitude in order to enable him/ her to recognize it as a picture. Even though the observer knows that the recognized visual object is not a real object, he talks about it as if it would be one. Still, he does not treat it like a real object. The way the picture-object is depicted, determines the communication and the treatment of the picture’s representation, or in other words: a picture’s references to fictionality make its observer treat the picture-object like a fictitious construct though he knows that this is actually not the case like, for example, in a live broadcast on television.