Mythos und Bild. Roland Barthes’ Semiologie bildlicher Stereotypisierung

Von David Jöckel

In der Rezeption von Roland Barthes’ Schriften hat die Dominanz der Hellen Kammer zwei für die Analyse der bildlichen Produktion von Stereotypen gewichtige Texte aus den frühen sechziger Jahren in den Hintergrund treten lassen. In Die Photographie als Botschaft und Die Rhetorik des Bildes hat Barthes minutiös und mit analytischer Strenge die Produktion von Stereotypen durch bestimmte bildliche Techniken analysiert. Die semiologische Analyse des codierten Sinns von Bildern ist in dieser mittleren Phase von Barthes’ Werk noch strenger und systematischer am Projekt einer verallgemeinerten Semiologie orientiert und eng verbunden mit der ideologiekritischen Untersuchung gesellschaftlicher Mythen. Der Aufsatz möchte den Zusammenhang, den Barthes’ bild- und insbesondere photographietheoretischen Arbeiten mit seinen mythenkritischen Texten unterhalten, rekonstruieren. Mehr noch als durch Texte lassen sich durch Photographien aufgrund ihrer Anmutung einer ›reinen‹ Abbildung und unentstellten Denotation solche kulturellen Stereotypisierungen fixieren und mit der Aura des Natürlichen belehnen. Dem Aufweis dieser, wie Barthes sie nennt, politisch und ethisch brisanten ›naturalisierenden Funktion der Denotation in Bezug auf die Konnotation‹ gilt nun gerade die in der vorliegenden Studie angestrebte Rekonstruktion von Barthes’ semiologischer Analyse von photographischen Bildern, in der sich Semiologie, Mythenanalyse und Photographie als drei zentrale Stränge seines Werks verzahnen.

In the reception of the works of Roland Barthes the dominance of La chambre claire has led to omit two texts that are of paramount importance for investigating the production of stereotypes through images. These two texts – The Photographic Message and The Rhetorics of the Image – analyse this kind of production with analytic and systematic rigour, orienting themselves in a much more obvious way to Barthes’ idea in the 1950s and 1960s of a general semiology that entails a critical or sociocritical dimension. In this paper I want to investigate into a field of texts that bring together these three different threads in the oeuvre of Barthes: his notion of societal myths and of a scientific mythology, the project of a general semiology, and his image- and photography-related works. I want to highlight that images have a special function towards the production of social stereotypes that lies in their denotative level. Especially images, more than texts, appear to be an objective depiction of reality, a simple denotation of what ›is‹.