Herausgeber dieser Ausgabe: Klaus Sachs-Hombach, Jörg Schirra, Stephan Schwan und Hans Jürgen Wulff
Inhaltsverzeichnis
Film as dynamic event perception: Technological development forces realism to retreat
Von Heiko Hecht | Bazins Position, dass die Fotografie es der Malerei ermöglicht hat, sich vom Realismus zu befreien wird ausgedehnt auf Film und virtuelle Realität (VR). D.h., wenn es immer das fortschrittlichste visuelle Medium ist, dass herangezogen wird, um das Bedürfnis einer perfekten Realitätsabbildung zu befriedigen, dann wird mit zunehmender Verbreitung von VR der Film von seiner Aufgabe, realistisch abzubilden befreit. Die Möglichkeiten und Grenzen dieser Befreiung werden aus der Sicht der ökologischen Psychologie und einer Perspektive der Ereigniswahrnehmung beleuchtet. Dabei wird aufgezeigt, dass es Grundkonstanten der visuellen Wahrnehmung gibt, die nicht befreibar sind, während andere Invarianten der Wahrnehmung prinzipiell verletzt werden können, um den Realismus im Film zu zerstören.
Inversion und Ambiguität Kapitel aus der psychologischen Optik
Von Hermann Kalkofen | Optische Inversion und Ambiguität sind nicht ein und dasselbe. In der einschlägigen Literatur macht, wie es scheint, die Inversion den Anfang: 1613 berichtet Aguilonius im vierten seiner – von Rubens illustrierten – Opticorum Libri sex über die Perzeption von konkaven Dellen – wie etwa Spuren von Kanonenkugeln auf Festungsmauern – als konvexen Beulen. Bleibt es bei dieser Auffassung – der Eindruck ist meist zwingend –, ist das ein Fall von Inversion ohne Ambiguität oder forcierter Inversion. Um Inversion bei Ambiguität oder flottierende Inversion geht es dagegen Robert Smith 1738, Porterfield 1759 oder Sinsteden 1860, wenn sie beschreiben, wie die Segel-Flügel einer Mühle fern am Horizont den Beobachter zwar wohl noch erkennen lassen, dass ihre Drehebene zur Frontoparallelen schief steht, doch nicht mehr ihre Richtung, so dass es unentschieden bleibt, was sich vorn, was sich hinten befindet. […]
Imitationen – mehr Schein als Sein?
Von Kai Buchholz | Das Phänomen der Ähnlichkeit spielt in der Bildwissenschaft eine grundlegende Rolle, denn als ikonische Zeichen stehen Bilder oft in einer besonderen Ähnlichkeitsbeziehung zu dem, was sie abbilden. Worin diese Beziehung im Einzelnen besteht, lässt sich allerdings nur schwer auf den Punkt bringen, und so mag die philosophisch-ästhetische Untersuchung einer anderen Ähnlichkeitsform – nämlich der Imitation – ein wenig Licht auf den bildwissenschaftlichen Ähnlichkeitsbegriff werfen und damit zu seiner weiteren Ausformulierung und Präzisierung beitragen.
Bilder in Bildern Endogramme von Eggs & Bitschin
Von Claudia Gliemann | Die Arbeit der Schweizer Künstler Eggs & Bitschin konzentriert sich auf ›innere Aufzeichnungen‹ von Bildern. Sie sehen in Bilder hinein, dringen in ihre Tiefe vor, setzen den Fokus auf Details, die nicht im Vorübergehen wahrgenommen werden können. Der Zoom ist ihr Werkzeug. Endogramme nennen sie die aus dem ›Hineinsehen‹ entstandenen Bilder, die sie nicht als Gemälde behandeln, sondern als Fenster einsetzen oder als Skulpturen aufstellen. Der Artikel betrachtet Eggs & Bitschins Bilder aus Bildern in Beziehungen zu Jan van Eycks Hochzeitsbild des Giovanni Arnolfini, Michelangelo Antonionis Film Blow Up, Dan Flavins Kunst aus Leuchtstoffröhren sowie Georgia O’ Keeffes Blumenbildern.
Die Als-Struktur des Bildes
Von Christoph Asmuth | Durch eine genetische Begriffskonstruktion wird ein sinnlogisches Konzept der Bildfunktion entworfen. Es zeigt sich, dass sich in funktionaler Hinsicht Bild und Zeichen unterscheiden. Gleichzeitig wird die gemeinsame Basis aufgewiesen: Bild und Zeichen liegt eine Als-Struktur zugrunde, die durch die piktorale Differenz charakterisiert ist.
Themenheft
Bild-Stil: Strukturierung der Bildinformation
Herausgeber dieses Themenheftes: Martina Plümacher und Klaus Sachs-Hombach
Bilderrätsel in der Werbung
Von Nina Bishara | Sowohl Stil als auch Rätsel weisen Elemente der Überraschung und des Erwartungsbruchs auf. Bilderrätsel in der Werbung eignen sich in besonderer Weise dazu, zu zeigen, wie Bilder erfasst und an Hand welcher Merkmale sie interpretiert werden. Am Beispiel von fünf Werbeanzeigen mit visuellen Botschaften, die opak bleiben, werden verschiedene Mittel der Bildgestaltung differenziert, welche für die Interpretation der Werbebotschaft wichtig sind, da sie stilistisch relevante Hinweise auf die Identität der beworbenen Markenzeichen geben.
Funktion des Bildstils von politischen Plakaten Eine historische Analyse am Beispiel von Abstimmungsplakaten
Von Sascha Demarmels | Der Bildstil hilft bei der Strukturierung von Bildinformationen und hängt unter anderem auch mit dem Bildaufbau zusammen. Um diesen Bildaufbau von Abstimmungsplakaten herauszuarbeiten, müssen als erstes Textbausteine identifiziert werden, wobei man sich dazu der Ergebnisse aus der Werbeforschung bedienen kann, indem man die dort bereits definierten Textbausteine modifiziert und anschließend auf politische Plakate überträgt. Im Vergleich von Plakaten aus verschiedenen Ländern zeigt sich, dass der Bildstil abhängig von politischen Kulturen und Traditionen variieren kann.
Rippchen, Rüssel, Ringelschwanz Stilisierungen des Schweins in Werbung und Cartoon
Von Dagmar Schmauks | Schweine sind ein beliebtes Motiv vieler Bildgenres vom Metzgereischild bis zur Glückwunschkarte. Diese Arbeit analysiert Abbildungen von Schweinen in Werbeanzeigen und Cartoons. Die Leitfrage ist jeweils, welche Eigenschaften dem Schwein zugeschrieben werden und inwiefern sie die zoologische Realität widerspiegeln. Abschnitt 2 stellt einleitend die ambivalente Bewertung von Schweinen in Redensarten zwischen den Extremen ›Drecksau‹ und ›Glücksschwein‹ vor. Abschnitt 3 untersucht bildliche Darstellungen von Schweinen, insbesondere typische Stilisierungen einzelner Körperteile sowie die Betonung der Gegensätze zwischen Haus- und Wildschwein. Detailanalysen von aktuellen Werbeanzeigen (Abschnitt 4) sowie von Cartoons (Abschnitt 5) ergeben, dass einige Themen sehr häufig und in stereotyper Weise dargestellt werden.
Landschaft als Immersionsraum und Sakralisierung der Landschaft
Von Beatrice Nunold | Alle Medien sind Immersionsmedien. Sie fordern eine anhaltende Fokussierung der Aufmerksamkeit und ein Abblenden der Wirklichkeit. Gearbeitet wird an einer totalen Immersion. Spätestens seit Erfindung des Panoramas im 18. Jh. wird mit der Landschaft als Illusions- oder Immersionsraum experimentiert. Ein hervorragender Vertreter innerhalb der Kunst ist Caspar David Friedrich. In der Frühromantik wird das Thema der Inszenierung zum ausgezeichneten Gegenstand der Reflexion. Die Illusionsmöglichkeiten werden selbst zum Thema. Die Sakralisierung der Landschaft finden wir hier nicht nur voll ausgeprägt, sondern auf höchstem Niveau reflektiert. In der Nachfolge ist die Sakralisierung zu einem Stilmittel der Landschaftsdarstellung geworden. Das Stilmittel wird bewusst manipulativ eingesetzt, so etwa im Film Der Herr der Ringe, um die Betrachtenden optisch, emotional und mental in den Immersionsraum hineinzuziehen.
Bildstil als rhetorische Kategorie
Von Klaus Sachs-Hombach und Jörg Schirra | Werden Bilder (oder zumindest Bildklassen) als Zeichensystem verstanden, dann liegt es nahe, sie (analog zur Sprechakttheorie) in Zeichenhandlungen eingebettet zu beschreiben. Sie haben dann auch eine illokutionäre Funktion und dienen etwa dazu, vor etwas zu warnen, über etwas zu informieren oder zu etwas aufzufordern. Allerdings besitzen Bilder zahlreiche Besonderheiten, die einer einfachen Übertragung sprechakttheoretischer Kategorien entgegenstehen. Selbst wenn viele Bildverwendungen als eine spezielle Form des kommunikativen Handelns gelten können, ist daher im Einzelnen zu prüfen, inwieweit die Kategorien der Sprechakttheorie im Kontext der Bildkommunikation modifiziert werden müssen. Dies soll für den Zusammenhang von Bildstil und Bildfunktion geleistet werden.